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Nachrichten / Interviews

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24-07-2006

VERHEUGEN:ICH HABE GERADE DIE GELBE KARTE GEZEIGT


Brüssel - Die Europäische Kommission versucht verzweifelt, das fatale Image des bürokratischen Monsters loszuwerden. Sie will alle EU-Gesetze vereinfachen oder modernisieren und die überflüssigen sogar abschaffen. Doch das 2005 so enthusiastisch angekündigte "Better Regulation"-Projekt stockt. Kommissionsvizepräsident Günter Verheugen will deshalb jetzt noch mehr Druck machen - und zudem eine zweite Stufe zünden: Die Staats- und Regierungschefs sollen sich selbst auf eine quantifizierbare Reduzierung der Bürokratiekosten für die Wirtschaft verpflichten. Mit Verheugen sprach Hannelore Crolly.

DIE WELT: Herr Vizepräsident Verheugen, wie kommt der Bürokratieabbau voran?

Günter Verheugen: Noch nicht so erfolgreich wie gewünscht. Ich habe deshalb gerade die gelbe Karte gezeigt, und Kommissionspräsident Barroso hat im Anschluß gelb-rot gezückt. Wir haben in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben, daß das Vereinfachungsprojekt keine Spielerei für Beamte ist, sondern das Flaggschiff der Kommission. Wir werden das deshalb hart und kontinuierlich verfolgen.

WELT: Wo hakt es denn?

Verheugen: Mir war von Anfang an klar, daß die Better-Regulation-Initiative schwierig werden würde. Immerhin haben wir eine Kulturrevolution angezettelt. Aber mich hat dann doch der anfängliche Widerstand, der aus Teilen des Parlaments und aus manchen Mitgliedsländern kam, völlig überrascht. Zudem gab es das eine oder andere - vielleicht auch gewollt herbeigeführte - Mißverständnis, es handele sich um neoliberales Teufelszeug und es ginge uns um die Absenkung von Umwelt- oder Sozialstandards. Das ist natürlich nicht der Fall.

WELT: Gibt es denn nach den lauten Ankündigungen überhaupt schon irgendwelche Ergebnisse?

Verheugen: Ja. Die Kommission hat 67 überflüssige Vorschläge zurückgezogen, und es kommt auch kein neuer Vorschlag auf den Tisch ohne Wettbewerbsfähigkeitstest und Folgenabschätzung. Bei der Vereinfachung des bestehenden EU-Rechts müssen wir jedoch mehr aufs Tempo drücken. Noch in diesem Jahr sollen 54 Basisrechtsakte erledigt werden, die insgesamt über 1000 Rechtsakte umfassen. Hier ist die Umsetzung noch völlig unbefriedigend. Es sind erst fünf Pakete erledigt. Bei weiteren 30 bestätigen meine Kollegen, daß sie bis Jahresende vorlegen werden. Auf der sicheren Seite haben wir also jetzt 35. Ich will aber das Klassenziel von 54 nicht nur erreichen, sondern übertreffen.

WELT: Spielen die Kommissare nicht richtig mit, oder wer trägt die Schuld?

Verheugen: Meine Kolleginnen und Kollegen wissen alle, wie wichtig das Projekt ist. Es hakt im Apparat. Als ich die Alarmsirene heulen ließ, waren manche ganz erstaunt.

WELT: War die zögerliche Haltung nicht vorhersehbar? Viele EU-Beamte sehen ihre Daseinsberechtigung doch darin, Gesetze zu verfassen, nicht, sie abzuschaffen.

Verheugen: Das Abschaffen von Gesetzen ist in der Tat schwieriger, als neue zu erfinden. Die Barroso-Kommission hat aber ein völlig anderes Selbstverständnis als jede Kommission vor ihr. Wir sehen uns nicht als Aufpasser der Mitgliedsstaaten, sondern als ein Service-Unternehmen. Wir erbringen eine Dienstleistung für die Bürger Europas und wollen weg vom Image der Schulmeister, die alles besser wissen. Das hat früher zu einer Attitüde von oben herab den Mitgliedsländern gegenüber geführt. Diese wollen wir ganz, aber wirklich ganz, eliminieren. Wir suchen den partnerschaftlichen Ansatz und die Konzentration auf das Notwendige. Für manche jedoch ist dieser Denkansatz immer noch schiere Ketzerei.

WELT: Haben Sie nicht genug Überzeugungsarbeit geleistet?

Verheugen: Bei manchen ist noch nicht wirklich angekommen, wie wichtig uns das Vorhaben ist. Zudem gibt es auch Fälle, in denen eine Generaldirektion die praktischen Schwierigkeiten unterschätzt hat. Für modernes Recht braucht es eine Menge sehr guter Juristen zum Beispiel!

WELT: Gibt es Abteilungen, die eifriger oder widerspenstiger sind als andere?

Verheugen: Ja. Und das ist normal. Zwei, drei Generaldirektionen haben ein sehr ambitioniertes Programm vorgelegt. Das sind nun allerdings leider auch diejenigen, die die größten Schwierigkeiten mit der Umsetzung haben. Dennoch ist mir die größere Ambition lieber als vorsichtiges Leisetreten.

WELT: Wie groß ist denn der Durchgriff der Kommissare auf den Apparat der Generaldirektionen?

Verheugen: Die Zeiten, als die Generaldirektoren relativ autonom agieren konnten, sind vorbei, auch wenn sich manche vielleicht noch so verhalten, als wäre alles wie früher.

WELT: Aber kann die Bürokratie-Entschlackung ausreichen, um Bürger und Wirtschaft vom Nutzen der EU zu überzeugen?

Verheugen: Derzeit arbeiten wir an einer aussagekräftigen Methode zur Berechnung von Bürokratiekosten. Wir wollen klar quantifizieren, welche zusätzlichen Kosten unsere Regelungen für Unternehmen mit sich bringen. Das wollen wir bis Ende des Jahres fertig haben. Ich hoffe, daß dann die deutsche EU-Ratspräsidentschaft einen Beschluß herbeiführt. Wir wollen uns nämlich auf eine quantifizierbare Reduzierung verpflichten. Mir schweben dafür im Querschnitt der Wirtschaft 25 Prozent vor.

WELT: Eine Kostensenkung um ein Viertel klingt nach einem recht ehrgeizigen Ziel.

Verheugen: Eine administrative Entlastung um 25 Prozent würden in der europäischen Wirtschaft 75 Mrd. Euro freisetzen. Dieses Geld könnten wir als zusätzliche Forschungsausgaben der Wirtschaft sehr gut brauchen. Viele Studien schätzen, daß der Effekt aber noch wesentlich größer ist und Bürokratieabbau ein zusätzliches reales Wachstum von eins bis 1,5 Prozent bringen könnte. Die zusätzlichen Vorteile, die etwa durch Vereinfachungen bei der Firmengründung entstünden, können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Heute dauert es in Deutschland unter Umständen Monate, um eine Firma zu gründen. Der Zeitaufwand sollte aber nicht mehr als eine Woche betragen. Das haben übrigens die Staats- und Regierungschefs im März dieses Jahres beschlossen. Allerdings wissen die wenigsten davon, leider auch die nicht, die in Deutschland für die Umsetzung zuständig sind.

WELT: Dennoch, Sie sprachen bereit von Widerständen beim europäischen Parlament und in den Mitgliedsländern.

Verheugen: Kein Berichterstatter des Parlaments sieht es gern, wenn sein Vorgang verschwindet, das muß man klar sehen. Und auch in den Mitgliedstaaten gibt es Reibungen. Die Staats- und Regierungschefs ziehen aber alle am selben Strang, und immer mehr haben sich das Projekt besserer Rechtsetzung selbst auf die Fahne geschrieben, auch Deutschland. Eine Ebene darunter können allerdings Anspruch und Wirklichkeit mitunter schon kollidieren.

WELT: Können Sie etwas konkreter werden?

Verheugen: Zum Beispiel die Verpackungsrichtlinie: In der EU gibt es rund 80 Vorschriften für verpackte Lebensmittel. Noch vor meiner Zeit entstand ein Vorschlag, das per Richtlinie auf knapp ein Dutzend zu beschränken. Ich habe jetzt aber vorgeschlagen, die Verpackungsgrößen mit Ausnahme für Alkohol ganz dem Handel zu überlassen. Was erlebe ich? Das Europäische Parlament brachte eine Liste mit sieben Lebensmitteln auf den Tisch, die unbedingt weiter reguliert werden sollen. Und auch im Rat machten völlig überraschend ausgerechnet zwei große Deregulierungsländer Schwierigkeiten, nämlich Großbritannien und Deutschland. Die Deutschen wollen die Verpackungen für Zucker weiter regulieren. Bis heute konnte mir aber niemand erklären, warum. Irgend jemand in Deutschland scheint es unbedingt notwendig zu finden, daß Zucker nur in bestimmten Größen verpackt in den Supermarkt darf. Der Himmel weiß, warum.

WELT: Welche Handhabe gibt es in solch einem Fall?

Verheugen: Die Kommission wird ihre Haltung nicht ändern. Ich will an diesem Beispiel wirklich einmal durchexerzieren, daß wir es ernst meinen damit, nur zu regulieren, was wirklich wichtig ist und auf der europäischen Ebene zwingend geregelt werden muß.

WELT: Aber viele Brüsseler Entscheidungen sind nach wie vor umstritten, zum Beispiel das Tabakwerbeverbot oder die Transparenz von Flugticketpreisen. Ist das denn Aufgabe von Brüssel?

Verheugen: Bei den Flugtickets bin ich ganz auf der Seite der Verbraucher. Die Fluggesellschaften werben mit niedrigen Preisen und addieren erst hinterher Steuern und Gebühren dazu. Stellen Sie sich einmal vor, wie unsere Märkte aussehen würden, wenn das Tankstellen oder Supermärkte ebenfalls tun würden. Das ist irreführende Werbung, vor der man Verbraucher schützen muß. Aber es gibt andere Bereiche, wo man sich wirklich fragen muß, ob wir Vorschriften brauchen. Es wurde viel unter dem Aspekt "Binnenmarkt" geregelt, wo ich ein großes Fragezeichen mache, ob das durch die Binnenmarkt-Kompetenz überhaupt gedeckt ist. Vor allem dann, wenn das, was geregelt wurde, überhaupt keinen grenzüberschreitenden Effekt hat.



 
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