Zwei neue Führungsposten in der Europäischen Union – Erwartungen, Aufgaben, Perspektiven
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Autor: Daniela Konstantinowa, Iliana Rajtschewa, Iwa Letnikowa - Radio Bulgarien.
Im November wählte die Europäische Union den ersten ständigen Präsidenten des Europäischen Rates und den hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Das sind die zwei neuen hohen Posten, die mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon eingerichtet werden. In den Medien werden sie schlichtweg als „Präsident“ und „Außenminister“ der Europäischen Union bezeichnet. Als erste werden diese Posten der Belgier Herman Van Rompuy und die Britin Catherine Ashton bekleiden. Die Erwartungen, Aufgaben und Perspektiven, die sie und uns, europäische Bürger bewegen, werden im Mittelpunkt dieser Ausgabe aus der Reihe „Partnerschaft mit dem Europaparlament“ stehen. Die Reihe ist ein Gemeinschaftsprojekt von Radio Bulgarien, dem Portal Europa, des Europäischen Instituts und des Zentrums zur Modernisierung der Politik.
Die Kandidaturen von Herman Van Rompuy und Catherine Ashton für die zwei EU-Spitzenposten wurden nicht einhellig begrüßt. Außerhalb von Brüssel wenig bekannt wurden die zwei Politiker eher mit einen Konsens gewählt. Für uns kommentierte die Wahl Rebecca Harms – sie ist Ko-Vorsitzende der Grünen/Europäische Freie Allianz im Europäischen Parlament.
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„Beide wurden auf dem letzten Gipfel für die Posten des EU-Ratspräsidenten und des hohen Vertreters der Europäischen Union nominiert und waren bis dahin in Europa nur wenig bekannt“, bestätigt Rebecca Harms und fährt fort: „Der belgische Ministerpräsident Herman Van Rompuy versteht sich als ein Spitzenpolitiker, der in der Lage ist, die Probleme Belgiens zu lösen. Bislang hat er jedoch nur die Art und Weise der Bewältigung der ernsten Probleme in seiner Heimat – zwischen den Bürgern Walloniens und Flanderns aufgezeigt. Lady Ashton ist ebenfalls jenseits von Brüssel wenig populär. Im EU-Sitz ist sie es jedoch, denn sie war eine erfolgreiche EU-Handelskommissarin, die dieses Amt nach Peter Mandelson inne hatte. Sie schaffte es, mit dem schweren Erbe ihres Vorgänger fertig zu werden und bewies, dass die kompetent und effektiv arbeiten kann. Im Europäischen Parlaments, wie auch in Großbritannien ist sie als eine der glühendsten Verteidiger des Vertrages von Lissabon bekannt.“
Wäre es aber nicht besser gewesen, den EU-Ratspräsidenten direkt zu wählen, wie die Abgeordneten auch, fragten wir weiter die Ko-Vorsitzende der Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament.
„Die europäische Integration hat noch nicht dieses Niveau erreicht“, meint Rebecca Harms. „Der Präsident des Europäischen Rates vertritt die Regierungen der EU-Mitgliedsländer. Er muss ihnen gegenüber, wie auch gegenüber den nationalen Parlamenten loyal sein. Ich denke, dass die einzelnen Länderparlamente im kommenden Jahr ernsthaft an ihre Rolle herangehen müssen, nämlich die Arbeit des Europäischen Rates und seines Präsidenten zu kontrollieren.“
Herman Van Rompuy wurde von den europäischen Konservativen nominiert, während Catherine Ashton von den europäischen Sozialisten. Sind sie mit dieser Kräfteverteilung in der Leitung der Europäischen Union zufrieden? Mit dieser Frage wandten wir uns an Iwajlo Kalfin, bulgarischer EU-Abgeordneter in den Reihen der Sozialisten und Demokraten und ehemaliger Außenminister Bulgariens.
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„Im Grunde genommen sind die linken Regierungen in der Europäischen Union in der Minderheit und das spiegelt sich in der Zusammensetzung der Europäischen Kommission wider“, sagt Kalfin. „Es herrscht in der Europäischen Union das Prinzip vor, dass eine politische Gruppe nicht alle Posten besetzt. Von den drei EU-Spitzenposten gehören der Präsident der Europäischen Kommission und der EU-Ratspräsident den rechten Kräften und der hohe Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik den linken Kräften an. Ich denke, dass diese Verteilung gut ist.“
Wie wird es um die Kontrolle des Präsidenten und der Außenministerin der Europäischen Union bestellt sein?
„Der EU-Ratspräsident unterliegt nicht einer Kontrolle seitens des Europäischen Parlaments“, antwortet der bulgarische EU-Abgeordnete aus in den Reihen der Sozialisten und Demokraten Iwajlo Kalfin. „Wenn sie mich nach meiner Meinung fragen, stehe ich nicht allein da – wenn es einen Präsidenten gibt, ist es gut, wenn er direkt gewählt wird und ein starke Figur ist, die auch in der Tat die Europäische Union verkörpert. Der Präsident des Europäischen Rates wird nach Absprachen zwischen den 27 Mitgliedsstaaten ernannt und braucht laut dem Vertrag von Lissabon nicht vom Europäischen Parlament bestätigt zu werden. Herman Van Rompuy ist zwar den breiten Massen so gut wie unbekannt, dafür aber ist er als effektiver Politiker in seinem Heimatland Belgien aufgetreten. Dafür wird der hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, als zweitwichtigster Posten der Europäischen Kommission, ihr Vizepräsident, vom Europäischen Rat gewählt und seine Arbeit wird vom Europäischen Parlament kontrolliert“, sagt Iwajlo Kalfin, bulgarischer EU-Abgeordneter in den Reihen der Sozialisten und Demokraten und ehemaliger Außenminister Bulgariens.
Welche Funktion kommt dem ständigen Präsidenten des Europäischen Rates laut dem Vertrag von Lissabon zu? Eine Antwort auf diese Frage gab uns David Král, Direktor des tschechischen Instituts für europäische Politik "Europeum".
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„Die Funktion des Präsidenten des Europäischen Rates laut Vertrag von Lissabon, genannt auch europäischer Präsident, muss noch präzisiert werden“, betont David Král. „Meiner Ansicht nach ist bisher sein Kompetenzbereich nur sehr allgemein umrissen. Es herrscht noch Unklarheit, was wir von dieser Funktion zu erwarten haben. Ich bin der Meinung, es wird in der Startphase besonders wichtig sein, wenn der Präsident in die Rolle des inneren „Maklers“ zwischen den verschiedenen Gruppen und Gruppierungen, zwischen den Mitgliedsländern des Europäischen Rates, zwischen Reichen und Armen schlüpft – ein Vermittler zu Fragen des Haushalts und außenpolitischer Fragen von proamerikanischen und weniger USA-gesinnten EU-Ländern. Danach muss der Präsident Europas beginnen, die Tagesordnung zu diktieren, indem er eine langfristige strategische Vision für die Europäische Union gibt. Ich persönlich hege so meine Zweifel und meine, dass viel von der Dingen abhängen wird, die sich in den ersten Jahren nach Einrichtung dieses Postens ereignen werden. Die Tagesordnung wird jedoch weiterhin einerseits von der Europäischen Kommission und andererseits von den großen Mitgliedsländern bestimmt werden. Gleichzeitig damit treten aber auch äußere Faktoren in Erscheinung, denken wir beispielsweise an die jüngste globale Wirtschaftskrise“, sagt David Král und fährt fort: „Es gibt noch eine dritte wichtige Funktion des europäischen Präsidenten, nämlich die Europäische Union auf höchster internationaler Ebene zu vertreten. Hierzu, wie auch in Bezug auf die Bestimmung der Tagesordnung hege ich weitere Zweifel, dass Herr Van Rompuy jene starke Figur ist, die gleichgestellt mit dem US-Präsidenten Obama oder dem russischen Premier Putin Gespräche zu führen weiß. Des Weiteren meine ich auch, dass den großen Ländern, wie Deutschland und Frankreich zur Zeit nicht an einer starken Persönlichkeit an der Spitze der Europäischen Union gelegen ist, bzw. diese nicht akzeptieren“, ist der Direktor des tschechischen Instituts für europäische Politik "Europeum" überzeugt.
Können die Bürger Europas den neuen Spitzenpolitikern der Union vertrauen?
„Ich denke, dass wir gerade hierin ein fundamentales Problem haben“, antwortet David Král. „Das Vertrauensvakuum kann mit der Art und Weise der Wahl erklärt werden, die eigentlich eine Ernennung war. Ich möchte mich stark zurückhalten und würde nicht sagen, dass sie gewählt worden sind, denn einer Wahl geht immer ein Wahlkampf voraus, der hier ganz einfach fehlte. Es handelte sich um ein Absprache zwischen den EU-Mitgliedsländern, die noch dazu hinter geschlossenen Türen stattfand. Viele Bürger, einschließlich polische Analysten in Europa waren vom Ausgang des EU-Gipfels stark überrascht. Die Verbindung zwischen den zwei Ämtern und den Bürgern fehlt ganz einfach. Daher kann man keine großen Erwartung hegen, denn die Menschen sind eher geneigt jenen öffentlichen Vertreten Vertrauen zu schenken, bei deren Wahl oder Ernennung sie um ihre Meinung gefragt wurden“, schlussfolgert David Král vom Institut "Europeum".
Unser nächstes Thema aus der Reihe „Partnerschaft mit dem Europaparlament“ wird die Zusammensetzung der neuen Europäischen Kommission sein. Ihre Fragen und Meinungen können sie per Post zusenden, oder uns Mailen. Die Adresse lautet: info@europe.bg. Nähere Einzelheiten können sie auf folgender Internetseite erhalten: http://parliament.europe.bg.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow.