Porträt: Eine Gangster-Braut für die EU-Kommission?
Von Stefanie Bolzen 28. Dezember 2009, DIE WELT.
Bulgariens Außenministerin Rumjana Schelewa ist eine junge Senkrechtstarterin - und angeblich die Frau eines Mafioso.
Brüssel - Rumjana Schelewa ist eine ehrgeizige Frau. Gerade einmal 40 Jahre alt, hat sie es schon zum Mitglied des Europäischen Parlaments und zur Außenministerin ihres Heimatlandes Bulgarien gebracht. Im nächsten Monat nun will sie ihre Karriere mit einem neuen Amt krönen: dem der EU-Kommissarin, zuständig für internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe. Doch nun kommt Ärger auf sie zu. Und damit auf die neue Kommission von José Manuel Barroso. Blond, groß und sehr schlank, passt Schelewa, die fließend Deutsch spricht, perfekt auf das Brüsseler Parkett. Augenscheinlich flößt ihr das internationale Arbeitsumfeld, in dem Eitelkeit und Selbstüberschätzung für manche zur Grundausstattung gehören, keinen zu großen Respekt ein. "Ich bin nicht als Politikerin geboren, ich werde nicht als Politikerin sterben wollen", sagt sie nonchalant.
Doch ganz so gelassen kann Schelewa in Wahrheit nicht sein. Schon jetzt fürchtet die Bulgarin den Nachmittag des 12. Januar. Dann muss sie im Parlament den Abgeordneten in den Ausschüssen Rede und Antwort auf Fachfragen stehen - und mancher in Brüssel will die Kandidatin "grillen". Ohne die Zustimmung des Parlaments bekommt Kommissionschef José Manuel Barroso seine Kommissare nicht. Und die Frau, die Bulgariens neuer Premierminister Bojko Borissow nach Brüssel schickt, steht ganz oben auf der Abschussliste.
Sie sei inkompetent, heißt es, und verbissen. Barroso hätte viel lieber ihre Vorgängerin Meglena Kunewa behalten, deren Partei aber im Juli die bulgarischen Wahlen verlor. Zu allem Überfluss soll der Ehemann von Kandidatin Schelewa mit der russischen Mafia an der Schwarzmeerküste unter einer Decke stecken. "Wenn mein Mann Teil der bulgarischen Schattenwirtschaft sein soll, dann ist er der einzige Mafioso in Bulgarien, der mit der Straßenbahn fährt und zu Hause das Geschirr spült", sagt die Ministerin lachend im Gespräch mit der WELT. Tatsächlich gibt es keine belastbaren Beweise gegen ihren Gatten.
Krassimir Schelew arbeitet für die Central Cooperative Bank, die wiederum zu der mächtigen TIM Group gehört, einem Geschäftsimperium an Bulgariens Küste, dessen Besitzer laut bulgarischen Medien zu den reichsten Männern des Landes gehört. Immer wieder gibt es Vorwürfe gegen die Gruppe, etwa wegen Geldwäsche, doch bislang konnte nie etwas bewiesen werden. "Das liegt nicht zuletzt am bulgarischen Justizsystem, das überhaupt nicht funktioniert", meint ein Beobachter in Sofia. Bewiesen oder nicht, der Chef der Grünen im EU-Parlament, Daniel Cohn-Bendit, hat Schelewa bereits aufgefordert, die Vorwürfe aufzuklären, "sonst könnte ihre Wahl schwierig werden". Die letzten Tage des Jahres werden für Schelewa ohnehin stressig. Die promovierte Soziologin, die als Lektorin für Europäische Studien an der Universität Magdeburg gearbeitet hat, muss vor der dreistündigen Anhörung Hunderte Seiten Material durcharbeiten. Geprüft wird sie vom Ausschuss für Entwicklung.
"Ich gehöre Gott sei Dank nicht zur kommunistischen Nomenklatura, meine Eltern waren keine Parteimitglieder", sagt Schelewa und fügt hinzu: "Ich bin eine Selfmade-Person." Eine Frau, soll das heißen, die weiß, was sie will - und ungern zugibt, wenn sie einmal etwas nicht bekommt. So betont die designierte EU-Kommissarin im Gespräch zunächst, sie habe sich ihr Portfolio - das in Brüssel kaum Prestige genießt - selbst ausgesucht. Um kurz darauf hinzuzufügen: "Ich wollte ehrlich gesagt das Ressort europäische Nachbarschaftspolitik." Doch das bekam sie nicht. Denn Barroso legte es mit dem Portfolio Erweiterung zusammen. Damit war Bulgarien aus dem Rennen, weil es Nachbarland zweier Beitrittskandidaten, der Türkei und Mazedoniens, ist und Interessenkonflikte nicht auszuschließen wären. Ob Schelewa ihren Posten überhaupt bekommt, darüber stimmt das EU-Parlament Ende Januar ab.