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Nachrichten / Interviews

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02-07-2008

Beitrittsverhandlungen statt Blödheiten"

Der Balkan-Stabilitätspakt ist an seinem Ende, doch stabil ist die Region noch lange nicht. Der scheidende EU-Koordinator Erhard Busek lotet im SPIEGEL-ONLINE-Interview die Chancen der Länder auf eine florierende Zukunft aus - und fordert neue EU-Beitrittsverhandlungen.

SPIEGEL ONLINE: Herr Busek, der Stabilitätspakt für Südosteuropa wurde 1999 von der EU-Kommission sowie 40 Partnerländern und -organisationen gegründet, um der ehemaligen Kriegsregion beim Wiederaufbau zu helfen. Sie waren sechs Jahre lang der Koordinator in Brüssel. Welche Fortschritte gab es?

Busek: Die Region hat Wachstumsraten zwischen fünf und zehn Prozent. Bei den Menschenrechten werden mittlerweile gute Gesetze auf den Weg gebracht, es hakt aber noch bei der Implementierung. Dafür gehen alle Wahlen inzwischen normal über die Bühne. Das ist ein sehr gutes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass die Demokratie hier ja nicht zu Hause war.

SPIEGEL ONLINE: Sie malen ein sehr rosiges Bild: Die Parlamentswahlen in Mazedonien mussten in einigen Wahlkreisen wegen Unregelmäßigkeiten wiederholt werden, ein Mensch wurde getötet.

Busek: Gewalt gibt es auch im spanischen Baskengebiet, Unregelmäßigkeiten haben Sie in Florida genauso wie in Italien. Manchmal haben wir einen zu scharfen Blick auf den Balkan.

SPIEGEL ONLINE: Neben Mazedonien ist derzeit nur Kroatien auf dem sicheren Weg in die EU.

Busek: Das liegt weniger an den Staaten als an der EU. Die Aufnahme von Bulgarien und Rumänien war zu früh. Was die EU in diesen Fällen unterlassen hat, muss der Balkan nun ausbaden, weil die Hürden höher gesetzt werden. Kroatien wäre eher in der Lage gewesen der Union beizutreten als Bulgarien und Rumänien.

SPIEGEL ONLINE: Ist das Kosovo-Problem mit der Unabhängigkeit gelöst? Belgrad macht keine Anzeichen, die neuen Tatsachen akzeptieren zu wollen.

Busek: So leicht wird Serbien seinen Anspruch auf das Gebiet nicht aufgeben. Serbien ist ein Land, das sich eine Schlacht merkt, die vor 600 Jahren stattgefunden hat...

SPIEGEL ONLINE: ... die Schlacht vom Amselfeld, mit der es seinen Anspruch auf das Kosovo begründet ...

Busek: ... das muss man einkalkulieren. Leider hat Brüssel mit dem Abschluss des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens ein wichtiges Druckmittel gegenüber Belgrad aus der Hand gegeben.

SPIEGEL ONLINE: Wie kann Kosovo alleine existieren? Laut Transparency International rangiert der Ministaat auf der Rangliste globaler Korruption an viertletzter Stelle.

Busek: Das bezweifle ich. Eine Statistik existiert nämlich im Kosovo nicht.

SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie die grassierende Korruption etwa in Abrede stellen?

Busek: Wenn es keine Gesetzgebung gibt, dann ist alles Korruption. Kosovo ist ein Staat im Aufbau. Die EU sollte nicht allein ständig Monitoring betreiben, sondern stattdessen der Regierung helfen, die Wirtschaft aufzubauen, Investitionen zu fördern, Bankkredite zu vergeben.

SPIEGEL ONLINE: In Bosnien-Herzegowina blockieren Bosnjaken, Serben und Kroaten den Weg zu einem funktionierenden Gesamtstaat. Der vom Westen entsandte Hohe Repräsentant schaut den nationalistischen Spielchen hilflos zu. Hat Brüssel das Land aufgegeben?

Busek: Die internationale Gemeinschaft hat in fast 13 Jahren zu wenig zustande gebracht, um die drei Ethnien näher aneinander zu bringen. Das Problem sind die Mitgliedstaaten, viele verfolgen eine Art Sonderpolitik. Nehmen Sie etwa die Griechen, die Mazedonien den Namen streitig machen. Für die europäische Außenpolitik ist das schlecht.

SPIEGEL ONLINE: Bosnien gilt als Prestigeprojekt beim Nationbuilding. Warum ziehen nicht alle an einem Strang?

Busek: Sind Sie sich sicher, dass alle EU-Außenminister wissen, wo Bosnien liegt? Es überwiegt die Unkenntnis. Dafür gibt es Vorurteile zuhauf. Dass Länder wie Österreich in der Region viel Geld verdienen, wird nicht erwähnt.

SPIEGEL ONLINE: Wie geht es weiter?

Busek: Mit allen Ländern müssen dringend Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Dann sind sie mit richtigen Fragen beschäftigt und können sich die restlichen Blödheiten ersparen. Das ist eine gute Beschäftigungstherapie und erzeugt Wettbewerb. Die einen werden die Anforderungen in drei, die anderen in 20 Jahren erfüllen. Der Jammer der EU ist, dass sie immer bilateral vorgeht, eine gemeinsame, übergreifende Strategie aber fehlt.

SPIEGEL ONLINE: Europa steckt nach dem irischen Nein zum Reformvertrag in der Krise. Weitere Aufnahmen sind fraglich.

Busek: In Wahrheit ist das ein Witz: Das, was noch zu integrieren ist, ist kleiner als beispielsweise Rumänien.

SPIEGEL ONLINE: Die Kompetenzen des Balkanstabilitätspaktes werden momentan an einen sogenannten South Eastern Cooperation Process mit Sitz in Sarajevo übertragen. Kommt dieser Schritt womöglich zu früh?

Busek: Es ist eine wesentliche historische Änderung: Seit dem Wiener Kongress haben wir den Menschen auf dem Balkan erzählt, was sie tun müssen. Jetzt sind sie selbst dran. Wenn wir sie weiter im Kindergartenstatus halten, werden sie nie erwachsen. Jedes Kind muss sich einmal die Finger verbrennen.



 
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