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21-04-2006

BULGARISCHER PREMIER: "WIR WERDEN IM SELBEN LAND WIEDER AUFWACHEN"

EU-Kommission mit Bulgarien viel strenger umgehe als mit früheren Beitrittsländern - Sergej Stanischew findet, dass die Der im STANDARD
Mit dem bulgarischen Premier sprach Barbara Oertel.

STANDARD: In Brüssel macht sich Unmut breit, kritisiert wird das Reformtempo in Bulgarien.

Stanischew: Die Stimmung in der EU ist jetzt viel pessimistischer, was eine neue Erweiterung angeht. Das beeinflusst natürlich die Europäische Kommission. Sie geht jetzt mit Bulgarien und Rumänien viel strenger um als mit den zehn Beitrittsländern zuvor.

STANDARD: Rumänien hat Bulgarien seit dem Vorjahr beim Reformtempo überholt. Können Sie das erklären?

Stanischew: Ich bezweifle, dass es einen großen Unterschied zwischen den beiden Ländern gibt. Zudem haben wir ein echtes Vermittlungsproblem. Es wird betont, dass Rumänien erfolgreicher im Kampf gegen Korruption ist, weil bereits gegen bekannte Politiker ermittelt wird. Auch in Bulgarien wurde dieser Prozess bereits in Gang gesetzt. Es gibt einen neuen Generalstaatsanwalt, der den Willen hat, Ermittlungen einzuleiten, die jahrelang verschleppt wurden und zu keinem Ergebnis geführt haben. Ich bin sicher, dass in Kürze konkrete Resultate vorliegen.

STANDARD: Macht es wirklich einen so großen Unterschied, ob Bulgarien im Jänner 2007 oder Jänner 2008 beitritt?

Stanischew: Die bulgarische Gesellschaft würde eine Verschiebung des Beitritts als klare Zurückweisung verstehen. Sie hat für die Reformen einen hohen Preis bezahlt. Die Bereitschaft dazu war immer von dem Wunsch motiviert, ein gleichberechtigtes Mitglied der EU zu werden. Noch ist die bulgarische Gesellschaft sehr proeuropäisch eingestellt.

STANDARD: Das klingt ja fast wie eine Drohung. Was wären die politischen Konsequenzen einer Verschiebung des Beitritts?

Stanischew: Eine Verschiebung des Beitritts würde denjenigen politischen und wirtschaftlichen Kräften in die Hände spielen, die nicht wollen, dass das Land nach europäischen Regeln lebt, dafür aber weiter informelle Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik herrschen.

STANDARD: So wie die antieuropäische Partei Ataka, für die die Zustimmung wächst.

Stanischew: Sie versucht auszunutzen, dass die Reformen für viele sehr schmerzhaft waren. Viele Dinge wurden schlecht, dumm und manchmal sogar kriminell in Angriff genommen. Eine ganze Generation hat, was ihre weitere Lebensperspektive angeht, den Preis dafür gezahlt.

STANDARD: Kritiker sagen, einzig der EU-Beitritt halte die Koalition zusammen. Überlebt sie die Legislaturperiode?

Stanischew: Ich bin kein Hellseher. Die Regierungsbildung war schwierig, weil in Koalitionen bisher eine Partei dominierte. Doch die Koalition hat bewiesen, dass sie funktioniert. Sonst wäre es nie möglich gewesen, so viele Gesetze zu verabschieden. Jetzt geht es doch nicht darum, bis zum 1. Januar 2007 durchzuhalten. Der 1. Januar 2007 kommt, und wir werden im selben Land aufwachen. Über Nacht geschehen keine Wunder. In der EU werden die beiden ersten Jahre die schwierigsten sein. Was mich persönlich angeht, so hätte ich, ohne in der Regierung zu sein, wieder mehr Zeit für meine Hobbys.

(DER STANDARD, Printausgabe, 21.04.2006)

(der standard)


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