Ingo Friedrich über den Lobbyismus in der EU
Interview vom Portal Europa mit dem deutschen Euroabgeordneten von der Fraktion der EVP-MdEP, Ingo Friedrich über die gebilligten vom EP Änderungen im Bereich des Lobbyismus.
1.Die EVP strebt danach, die Transparenz der Lobbyistentätigkeit zu erhöhen. Ihrer Meinung nach, welche von den drei europäischen Hauptinstitutionen - die Kommission, der Rat oder das Parlament - ist zur Zeit am wenigsten transparent?
Das Europäische Parlament ist die transparenteste Institution. Wir haben schon seit 1996 ein de facto obligatorisches Register, in das sich alle Lobbyisten eintragen müssen, die Zugang zu den Sitzungen und Abgeordneten des Parlaments wünschen. Zugleich unterzeichnen registrierte Lobbyisten einen Code of Conduct, in dem sie sich hohen ethischen Standards unterwerfen. Die Arbeit der Kommission erscheint mir weniger transparent, wobei die Entscheidungsprozesse im Rat noch intransparenter ablaufen.
2. In Amerika gilt das Gesetz über die Eintragung der ausländischen Vertreter (FARA), Online-Register,das ein sehr gutes Beispiel für Buchführung und Transparenz ist. Sind Sie der Meinung, dass ein solches Verfahren auch in Europa anwendbar ist?
Das amerikanische Lobbyistenregister ist zu umfangreich und unübersichtlich. Dies fördert nicht die Transparenz. Das Europäische Parlament möchte eine unbürokratische Lösung für Lobbyisten, indem es ein gemeinsames Register für alle drei Institutionen anstrebt.
3.Sie fordern zu einem gemeinsamen Lobbyistenregister vom Europäischen Parlament, von der Kommisson und vom Rat auf. Welche von diesen drei Institutionen betrachtet die Idee skeptisch und warum?
Der Rat hat sich bisher zwar noch nicht zu einem gemeinsamen Register geäußert, doch scheinen mir hier die größten Schwierigkeiten zu liegen. Der Rat arbeitet nämlich ausschließlich mit Vertretern der nationalen Regierungen.
4.Der Lissabonner Vertrag erhöht einerseits die Vollmachten des EP und reduziert andererseits die Zahl der Eurokommissaren. Wird das die Lobbyisten erleichtern oder erschweren, die Entscheidungsprozesse zu beeinflussen?
Meiner Einschätzung nach wird die Arbeit von Lobbyisten durch die Änderungen des Vertrags von Lissabon eher erschwert.
5.Heute wird Bulgarien von einer Dreier-Koalition regiert, in der die Sozialisten dominieren und die Schwierigkeiten bei der Bekämpfung der Kriminalität und der Korruption findet. Manche Anhänger der Regierung äußern vor der Presse die Meinung, dass „Bulgarien in Brüssel lobbyieren soll, so dass die Europäische Kommission die so genannte Schutzklausel nicht aktiviert oder anders gesagt die Regierung wegen ihrer Misserfolge in diesen Bereichen bestraft. Ist ein solches „Lobbyieren" möglich?
In der Definition von Lobbyisten, die das Europäische Parlament in seinem Bericht festgelegt hat, zählen Regierungsvertreter nicht zu den Lobbyisten. Sie gehören zum Ministerrat und sind somit Teil der europäischen Institutionen. Auch nationale und europäische Parteien gelten nach der derzeitigen Definition nicht als Lobbyisten.
6. Verfügen Sie über Angaben, dass die Regierungen der Kandidatenländer irgendwelche Form von Lobbyismus anwenden, um ihren Beitritt zur EU zu beschleunigen? Wenn ja, wie geschieht das praktisch?
Es sind nicht nur die Kandidatenländer, die in Brüssel ihre Interessen vertreten, sondern auch die Regierungen von Mitgliedsstaaten und Nicht-Mitgliedsstaaten versuchen, die Politik der EU zu beeinflussen. Dies sieht man deutlich an den ständigen Vertretungen, die verschiedene Länder in Brüssel unterhalten.