„Alte“ Europäer im „Neuen“ Europa – ihre Stimmen für die Europawahlen
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Vom 4. bis 7. Juni werden die Bürger der Europäischen Union die Möglichkeit haben, die neuen Abgeordneten des 736sitzigen Europaparlaments in Direktwahlen zu bestimmen. Aller fünf Jahre haben wir die Chance, die Hauptrichtung der weitere Politik des vereinten Europa vorzugeben. Was geschieht aber, wenn wir uns gerade in der Wahlzeit außer Landes befinden? Dieser Frage wollen wir in unserer heutigen Ausgabe aus der Rubrik „Partnerschaft mit dem Europaparlament“ nachgehen. Die Reihe ist ein Gemeinschaftsprojekt von Radio Bulgarien, dem Portal Europa und des Europäischen Instituts.
Welche Möglichkeit haben die EU-Bürger, die sich während den Europawahlen in Bulgarien aufhalten, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen? Mit dieser Frage wandten wir uns an Elena Markowa von der Zentralen Wahlkommission für die Europawahlen in Bulgarien.
„Stimmberechtigt sind jene Bürger, die die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedslandes besitzen. Diese können in Bulgarien für die bulgarischen EU-Abgeordneten wählen, wenn sie den Bestimmungen genügen. Alle ausländischen EU-Bürger, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen wollen, können an ihrem vorübergehenden oder ständigen Wohnort in Bulgarien wählen gehen. Sie müssen aber wie alle anderen die allgemeinen Bedingungen erfüllen, z.B. müssen die Wähler volljährig, d.h. am Wahltag mindestens 18 Jahre alt geworden sein. Die ausländischen EU-Bürger mussten zudem 40 Tage vor den Wahlen, die in Bulgarien am Sonntag, dem 7. Juni stattfinden werden, in der Gemeindeverwaltung ihres Wohnortes ein Teilnahmeformular ausfüllen. Die Frist ist abgelaufen und alles in allem werden bei uns 84 EU-Bürger anderer Staaten für die bulgarischen Europaabgeordneten wählen. Es handelt sich überwiegend um Bürger Großbritanniens, die in der nordbulgarischen Gemeinde Weliko Tarnowo zu den Urnen gehen werden. Einige werden es auch in Sofia tun, wie auch in den Städten Gabrowo, Lowetsch und Warna.“
An die EU-Bürger, die in Bulgarien den Urnengang antreten werden, wurde auch die Bedingung gestellt, dass sie sich in den drei Monaten vor den Wahlen mindestens 60 Tage lang in Bulgarien, oder einem andern EU-Land aufgehalten haben müssen. Desweiteren dürfen sie in ihrem Ursprungsland das Wahlrecht nicht eingebüßt haben.
Eine der prägnantesten Fragen im Wahlkampf für die Europawahlen ist die nach der Fortführung der Erweiterung der Union. In diesem Zusammenhang wurde auch Rechenschaft gefordert, inwieweit die jüngsten zwei Erweiterungswellen, die die Europäische Union um 12 Mitglieder bereicherten, erfolgreich sind. Gerade die Diskussionen um diese Themen haben viele EU-Bürger zu ihrer Entscheidung bewogen, ob sie sich an den Wahlen beteiligen sollen, oder nicht.
Reporter von Radio Bulgarien haben sich mit einigen Bürgern „alter“ EU-Länder, wie Frankreich, Deutschland und Italien, unterhalten, die das Schicksal nach Bulgarien verschlagen hat. Werden sie für die bulgarischen, oder die EU-Abgeordneten ihres Heimatlandes stimmen?
Mit dieser Frage wandten wir uns an den französischen Filmemacher Patrick Sandrin, der seit Jahren in Bulgarien lebt und arbeitet. Er gestand, er wolle lieber in seiner Heimat zu den Urnen gehen, ganz einfach weil er die bulgarischen Kandidaten nicht gut kenne und sich auch nur schwer in ihren Programmen zurechtfinde. Die Frage, ob er überhaupt wählen geht, steht für ihn nicht.
„Ich beteilige mich immer an allen Wahlen, seien es europäische, nationale, oder kommunale. Das Wahlrecht ist ein konstitutionell verbrieftes Recht in allen demokratischen Ländern. Es ist daher von Bedeutung, stimmen zu gehen. In jedem EU-Land, sicher auch in ihrem, haben die Bürgern auch die Möglichkeit, einen leeren weißen Stimmzettel in die Urnen zu werfen, wenn sie mit keinem der Kandidaten einverstanden sind. Das ist nicht minder eine Wahl.“
Was denkt man im „alten“ Europa über das „neue“ Europa, fragten wir den Filmemacher.
„Wenn man von „altem“ und „neuem“ Europa spricht, denkt man heute lediglich an die letzten 100 Jahre. Europa hat aber eine Jahrtausende alte Geschichte und daher fällt es mir schwer, in solchen Kategorien zu denken und das sogenannte „neue“ Europa einzuschätzen. Die Meinungen gehen allgemein auseinander. In Frankreich leben immerhin 70 Millionen Menschen und viele sind unterschiedlicher Meinung. Bei den Briten ist es genauso und bei den Deutschen nicht anders. Man sollte meiner Ansicht nach endlich mit der Gegenüberstellung von Blöcken aufhören. Das ist keine gute Politik. Es gibt nämlich in Bulgarien Menschen, die wie andere in Frankreich, Deutschland, Großbritannien und anderswo in der Welt auf die gleiche Art und Weise denken. Überall gibt es Euroskeptiker, es gibt auch Gegner des Beitritts von Ländern Osteuropas. Gleichzeitig damit gibt es aber auch viele Menschen, die den Erweiterungsprozess befürworten. Man darf also nicht verallgemeinern. Was mich persönlich anbelangt – ich bin für die Aufnahme der Länder Osteuropas in die gemeinsame europäische Familie.“
Und wie stellen sie sich das künftige Europa vor? Diese Frage beantworte Patrick Sandrin folgendermaßen:
„Es wird ein Europa sein, das uns vieles abfordern wird – von mir, von ihnen, von allen... Die Demokratie ist nämlich ein Prozess, der sich von Tag zu Tag, von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr festigt. Die Demokratie ist ein ständiger Kampf; sie ist ein lebender Organismus, der sich mit der Zeit entwickelt. Jeder Europäer muss daher darüber nachdenken, wie er das Leben in seinemLand verbessern kann. Ich denke positiv über die Zukunft Europas, dem alle angehören können. Alle müssen gleichermaßen intellektuellen und politischen Willen an den Tag legen, denn wir alle beteiligen uns an einem breiten Forum an Ideen, die mit der Entwicklung der Union zusammenhängen. Europa stellt die Summe aller guten Ideen dar, die umgesetzt werden. Es läuft also tagtäglich eine breite Debatte darüber.“
Andreas von Bellow ist Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sofia. Wird er wählen gehen?
„Ja, natürlich! Wir sind Bürger Europas und wir müssen bestimmen, wie es sich entwickeln soll. Ich werde also stimmen gehen und zwar für einen deutschen Abgeordneten, den ich sehr gut kenne. Er stammt aus dem Gebiet Bonn, von wo auch ich herkomme. Ich lebe zwar seit bereits sieben Jahren in Bulgarien, denke aber, dass es besser sein wird, für deutsche EU-Abgeordnete zu stimmen, ganz einfach weil ich sie besser kenne und ihnen vertraue.“
Auch Andreas von Bellow stellten wir die Frage nach der Meinung der Bürger des „alten“ Europa über das „neue“ Europa. Hier seine Antwort:
„Das ist ganz verschieden. Die Deutschen z.B. hegten gewisse Befürchtungen, als Polen der Union betrat – die Beziehungen mit diesem Nachbarland sind aber mittlerweile bestens. Die polnischen Bürger können ungehindert nach Deutschland reisen, weil Polen dem Schengen-Raum angehört. Zwischen beiden Ländern gibt es ausgezeichnete Geschäftskontakte. Am Anfang steht man natürlich immer skeptisch gegenüber, aber sobald sich die Leute kennengelernt haben, wird ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Das betrifft auch die Bulgaren. Sobald bei ihnen die Reformen im Gerichtssystem zum Greifen kommen, wird das Vertrauen der anderen Mitgliedsländer steigen und das sehr schnell.“
Wie stellen sie sich das Europa der kommenden Jahren vor, fragten wir den Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sofia.
„Ich stelle mir ein Europa vor, in dem Freiheit und Stabilität herrschen, in dem die Grenzen offen sind, alle ungehindert reisen können, Geschäfte abwickeln und mit den Nachbarn, einschließlich den Russen, in einer freundschaftlichen Atmosphäre zusammenarbeiten. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns zusammen in eine stabile, prosperierende und freie Gemeinschaft verschiedener Völker verwandeln werden.“
Ich habe mich noch nicht entschlossen, denke aber, dass ich mich an den Europawahlen beteiligen werde, sagte uns Francesco Martino, Korrespondent des italienischen „Osservatorio balcani“.
„Die Teilnahme ist wichtig, vor allem für die Menschen, die so ihre Meinung äußern können. Die moderne Demokratie basiert auf der freien Meinungsäußerung und das vor allem mittels Votum. Ich weiß, dass ich auch für die bulgarischen Kandidaten stimmen kann, da ich hier lebe, werde aber ehrlich gesagt für die italienischen abstimmen, weil ich besser mit den Programmen der italienischen Parteien vertraut bin und sie auch eher meinen eigenen Anschauungen entsprechen.“
Welche Haltung nehmen ihrer Ansicht nach die alten EU-Mitgliedsländer gegenüber den neuen Mitgliedern ein? Überwiegt eher die Skepsis, oder das Vertrauen?
„Das ist eine sehr schwierige Frage, auf die man nur schwer eine eindeutige Antwort geben kann“, gesteht der italienische Journalist. „Ich denke, es gibt wirklich ein Element der Skepsis, was vor allem auf die unterschiedlichen Standpunkte zurückzuführen ist. Der Aufbau der Europäischen Union ist ein ziemlich schwerer und komplizierter Prozess. Beide Seiten, die alten und die neuen Mitglieder haben sich noch nicht zureichend kennengelernt und daher eher das Misstrauen.“
Die gemeinsame Arbeit von Radio Bulgarien und seinen Partnern vom Europäischen Institut und dem Portal Europa an der Initiative „Heute – Partnerschaft mit dem Europaparlament“ hat vor etwas mehr als einem Jahr begonnen. Ziel war, auf verschiedene Weise und zum größten Teil interaktiv die Teilnahme Aller zu fördern. Es geht um die Zukunft Europas und ein Schritt in diese Richtung ist die Teilnahme an den Europawahlen.
Unsere heutige Sendung gab den Start für eine zweite Runde der Initiative unter dem Motto „Partnerschaft mit dem Europaparlament“. Wir baten Borislaw Marinow vom Europäischen Institut uns Einzelheiten über die Fortsetzung der Reihe zu verraten.
„Im zweiten Teil werden wir uns auf die Hörer und die Internet-Nutzer konzentrieren und natürlich auf alle Bürger, denen die Entwicklung der Europäischen Union am Herzen liegt. Konkret wird es um die Möglichkeiten nach einem eventuellen Inkrafttreten des Vertragen von Lissabon gehen. In Zusammenarbeit mit Radio Bulgarien werden wir thematische Sendungen vorbereiten, in denen sich zu Beginn alles vor allem um die Europawahlen drehen wird. Danach soll es um die Arbeit des neuen Europaparlaments und der neuen Europäischen Kommission gehen. Die Internet-Nutzer werden die Möglichkeit erhalten, sich Online an verschiedenen Diskussionen zu beteiligen, die in verschiedenen Gruppen laufen sollen, so z.B. unter Akademikern, Journalisten und Vertretern der Internet-Gemeinschaft.“
Vorgesehen ist auch die Einrichtung eines Blogs zur Seite http://parliament.europe.bg, den jeder Bürger besuchen und in seiner Sprache seine Meinung äußern kann. Gefragt sind dabei nicht so sehr expertenmäßige Einschätzungen, als vielmehr die Haltungen der Durchschnittsbürger.
Damit geht die erste Sendung aus der Fortsetzungsreihe „Partnerschaft mit dem Europaparlament“ zu Ende, liebe Hörerinnen und Hörer. Finanziell gestützt wird das Gemeinschaftsprojekt des Europäischen Instituts, Radio Bulgarien und Portal Europa von der Generaldirektion „Kommunikation“ des Europäischen Parlaments. Ihre Fragen und Meinungen können sie per Post zusenden, oder uns mailen. Die Adresse lautet: info@europe.bg. Nähere Einzelheiten können sie auf folgender Internetseite erhalten: http://parliament.europe.bg.
Autoren: Rumjana Zwetkowa, Weneta Nikolowa
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow