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Europäisches Parlament / Nachrichten / Aktuelles aus Österreich

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09-01-2009

Voggenhuber: „Gehe der Partei schrecklich auf die Nerven“

Johannes Voggenhuber zur Europapolitik der Grünen und zum Kampf um den EU-Spitzenkandidaten. Am 17. Jänner fällt die Entscheidung, wer für die Grünen ins Rennen ums EU-Parlament gehen wird. Ein Interview von "Der Presse".

Die Presse: Wird es nach einem möglichen Schwenk der Grünen dazu kommen, dass bei den Europawahlen am 7. Juni nur noch eine proeuropäische Partei antritt: nämlich die ÖVP?


Voggenhuber: Ich habe Schwierigkeiten, die ÖVP als Europapartei zu bezeichnen. Das stimmt nur, wenn man die vereinfachte Frage stellt: Seid ihr für oder gegen die EU? Sonst ist die ÖVP in ihrer Europapolitik eine sehr doppelbödige Partei. Von Montag bis Freitag ist man nationalistisch und am Sonntag tritt man zum „Sound of Europe" als Europäer auf. Die ÖVP steht für ein Europa des Marktes, des Geldes und der intergouvernmentalen Struktur. Das ist nicht mein Europa.
 
Welches Europa wollen die Grünen? Teile der Partei werben ja für eine Distanz zur EU, um globalisierungskritische Wähler zu gewinnen.

Voggenhuber: Um die Globalisierungskritiker zu werben ist legitim, weil die verweigerte soziale Dimension und das Nichteingehen auf die Gefahren der Globalisierung tatsächlich große Schwächen der Union darstellen. Anders sind die begleitenden Untertöne zu bewerten. Die historische Falltür dieser Linken ist die Berührung mit dem Nationalismus.
 
Geht es vielen Linken wie Rechten nicht um das Gleiche: um die Sehnsucht nach einem geschützten, übersichtlichen Lebensbereich?

Voggenhuber: Das ist auch der Punkt. Hier treffen sich Linke und Rechte. Aber in Österreich hat die Kritik an Europa weniger mit Europa zu tun als mit einer missglückten Identitätssuche unseres Landes nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Dieser Unort, angefroren am Eisernen Vorhang, war als Insel der Seligen empfunden worden. Ich versuche das immer mit der Schlüsselstelle im „Herrn Karl" zu beschreiben: Da sitzt er unten im Keller, von oben hört man die Sirenen einer Rettung. Und er sagt: „Karl, du bist es nicht!" Die heimische Politik ruft der Bevölkerung ständig zu: „Du bist es nicht!" Europa aber ruft: „Du bist es doch." Von uns wird etwas erwartet.
 
Ist der Widerspruch so klar oder nicht doch eher verschwommen? Von FPÖ, BZÖ und Grünen hört man nun: „Wir wollen nicht austreten, sondern ein anderes, besseres Europa." Damit wird versucht, alle zu bedienen - Befürworter und Gegner.

Voggenhuber: Wenn es keine Ausrede ist, so bin ich bei diesem Ziel einer besseren Union dabei. Aber dafür müssen wir uns als Akteure in Europa empfinden. Es sollte keine Flucht sein - kein Abdriften in eine periphere Provinz, die zwar renitent und aufmüpfig ist, aber eine Mitbeteiligung ablehnt.

Beim Bundeskongress der Grünen Mitte Jänner wird es nicht nur um den Spitzenkandidaten bei den Europawahlen gehen, sondern auch um die Linie der Partei. Welche grüne Europapolitik wünschen Sie sich?

Voggenhuber: Die Europapolitik der Grünen ist die, für dich stehe. Diese Politik genießt laut unseren Untersuchungen auch die höchste Akzeptanz. In Folge der Wahlniederlage bei der Nationalratswahl wurde begonnen, das infrage zu stellen. Das geschah nicht in Form von Kritik, sondern mit dieser unterschwelligen Absage, die in einer nationalistischen Verweigerung endet. Da habe ich aufgeschrien. Ich bin auf die Barrikaden gegangen. Es hat mich bedrückt. Aber ich bin überzeugt, dass die konstruktiv-kritische Haltung zu Europa, das Mitwirkenwollen an einer tragfähigen Rolle der EU, in Wahrheit bei den Grünen unumstritten ist.
 
Wenn nach der angekündigten Kampfabstimmung nicht Sie, sondern Ihre Kollegin Ulrike Lunacek Spitzenkandidatin bei den Europawahlen wird: Welche Konsequenzen hätte das?

Voggenhuber: Solche personellen Diskussionen haben eine Eigendynamik, die dann Realitäten schaffen. Es gibt auch bei den Grünen Teile, die den kritischen Ansatz stärker herausstellen wollen. Vielleicht auch manchmal mit den Abgründen, der Stimmung in Teilen der Bevölkerung nachzugeben. Das würde die Grünen ihrer größten Potenz und ihrer größten Aufgabe berauben. Es geht hier nicht allein um Europa. Es geht um die Öffnung Österreichs. Wollen wir chauvinistische Scheingeborgenheit, kleinbürgerliche Renitenz oder eine neue offene Identität?
 
Haben die Grünen an Streitkultur verloren?

Voggenhuber: Ja, sie haben auch an innerer Demokratie verloren. Es ist sicher nicht angenehm, die eigene Partei zu kritisieren. Ich glaube, dass ich den Grünen schrecklich auf die Nerven gehe. Die Parteiführung im weitesten Sinne hat sicher auch einige Rechnungen mit mir offen. Aber diese Partei kann auch stolz auf ihre Europapolitik sein. Wir haben auf kaum einem anderen politischen Feld so viel Einfluss genommen.
 
Was für Konsequenzen werden Sie ziehen, wenn Sie nicht Spitzenkandidat bei den Europawahlen werden?

Voggenhuber: Ich werde nicht als Unabhängiger kandidieren. Ich habe die Grünen mitbegründet, deshalb wäre das der falsche Weg. Wenn ich nicht die Mehrheit finde, dann soll etwas anderes Raum und Platz haben. Dann kann ich mit meinem Rückzug zumindest zur Verjüngung der Partei beitragen.

 



 
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