"Vielleicht auch mal 50 Cent mehr ausgeben"
SPD-Europapolitikerin Gebhardt für schnelle Umsetzung der neuen EU-Spielzeugrichtlinie
Evelyne Gebhardt im Gespräch mit Hanns Ostermann, Deutschlandradio Kultur
Die Europa-Abgeordnete Evelyne Gebhardt hat an die Spielzeug-Hersteller appelliert, die neue EU-Richtlinie möglichst schnell umzusetzen. Es würden jetzt sehr viele Stoffe verboten, die krebserregend oder erbgutschädigend sein könnten, sagte die Sozialdemokratin. Sie fürchte allerdings, dass das Gesetz in den Mitgliedsstaaten nicht vor 2010 in Kraft treten werde.
Hanns Ostermann: "Morgen, Kinder, wird's was geben". Dieses Lied aus dem frühen 19. Jahrhundert wird derzeit wohl in vielen Haushalten gespielt, nicht erst am 23. Dezember. Die Kinder sollen bei Laune gehalten werden und dazu gehört, klar, die Aussicht auf das eine oder andere Spielzeug. Wie hieß es noch im Original? "Wisst ihr noch mein Räderpferdchen, Malchens nette Schäferin, Jettchens Küche mit dem Herdchen und dem blankgeputzten Zinn? Heinrichs bunten Harlekin mit der gelben Violin?"
Aus welchem Material dieses Spielzeug damals wirklich war, weiß ich nicht. Sicher ist aber, dass viele Kindergeschenke heute nicht mehr sicher sind, manchmal sogar gefährlich. Nun sollte man ja annehmen, die Europäische Union achtet auf entsprechende Gütesiegel, doch Zweifel sind da wohl angebracht, wenn heute die Parlamentarier in Straßburg zusammenkommen. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur begrüße ich die Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im Europaparlament, Evelyne Gebhardt. Guten Morgen, Frau Gebhardt.
Evelyn Gebhardt: Guten Morgen.
Ostermann: Sie kritisieren, Straßburg bleibe auf halbem Weg stehen, was eine neue EU-Spielzeugrichtlinie betrifft. Woran machen Sie das fest?
Gebhardt: Wir haben sehr vieles Positive erreicht in dieser Spielzeugrichtlinie. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass es möglich ist, dass auch eine bessere Überprüfung der Einhaltung der Gesetze in diesem Bereich durchgesetzt wird. Das heißt, dass wir eine Zertifizierung durch unabhängige Prüfinstitute haben, die bescheinigen, dass das Spielzeug auch wirklich sicher ist.
Ostermann: Wünschenswert wäre also ein unabhängiger TÜV wie beim Auto. Woran scheitert der beim Spielzeug?
Gebhardt: Er scheitert an der konservativ-liberalen Mehrheit im Parlament und an der Mehrheit des Ministerrates. Es gab nur zwei Staaten, die dafür eingetreten sind, Deutschland und Österreich. Alle anderen haben gesagt nein, das brauchen wir nicht.
Ostermann: Er scheitert an fehlender Lobbyarbeit?
Gebhardt: An der Lobbyarbeit der Industrie, glaube ich, denn die Lobbyisten für die Prüfung haben durchaus auch gearbeitet, aber offensichtlich war die Macht der anderen größer.
Ostermann: Aber gäbe es überhaupt genügend TÜV-Kontrolleure?
Gebhardt: Es gibt viele Stellen, die prüfen. Wir haben ja in Deutschland zum Beispiel das GS-Zeichen. Das kann man ja auch nur hintun, wenn es von Dritten geprüft worden ist. In Deutschland gibt es insgesamt ungefähr 83, glaube ich, Prüfinstitute. Es gibt die natürlich auch in anderen Staaten. Sogar in China gibt es eine Prüfpflicht, in den USA gibt es diese Prüfpflicht und in Japan auch. Also warum soll denn Europa dahinter bleiben?
Ostermann: Frau Gebhardt, bringt denn diese neue Richtlinie etwas? Sie haben gesagt, wir haben einiges erreicht. Aber welche konkreten Vorteile, Fortschritte bringt sie?
Gebhardt: Es werden jetzt sehr viele Stoffe verboten, die krebserregend sein können, die erbgutschädigend sein können oder die Allergien auslösen können. Gerade bei den vielen Aromastoffen, die zurzeit beim Spielzeug verwendet werden, also die Puppe, die zum Beispiel nach Erdbeere riecht, da haben wir gesagt, da muss Vorsicht rein. Bei Spielzeug, das Gefährdungen hat, das etwas komplexer ist, da müssen klare, sichtbare und lesbare Warnhinweise gemacht werden, damit die Eltern wissen, unter welchen Umständen solches Spielzeug gefährlich werden könnte. Wenn man zum Beispiel diese aufblasbaren Armringe für Kinder fürs Badengehen sieht, da gibt es gar keine Sicherheit. Viele Leute glauben, das ist sicher, und das muss dann hingeschrieben werden. Da muss eben gewarnt werden, dass es unsicher ist.
Ostermann: Ab wann gilt eigentlich diese neue Richtlinie? Das heißt, kann man davon ausgehen, Weihnachten 2009 wird für Eltern oder diejenigen, die etwas schenken wollen, einfacher, sicherer?
Gebhardt: Das Gesetz muss in nationales Recht umgesetzt werden. Dazu haben die Staaten zwei Jahre Zeit. Für manche Bereiche etwas länger. Das hängt jetzt von den Mitgliedsstaaten ab. Natürlich ist es den Mitgliedsstaaten erlaubt, das schon für 2009 in Kraft treten zu lassen, aber ich fürchte, das wird nicht vor 2010 der Fall sein. Allerdings möchte ich einfach die Hersteller aufrufen, so schnell wie möglich von sich aus diese neuen Werte auch wirklich einzuhalten.
Ostermann: Die Hersteller sind die eine Seite, aber was können Eltern, Großeltern oder wer auch immer etwas schenken möchte in der derzeitigen Situation konkret tun? Wie kann der alles dafür tun, dass die Kinder sichere und richtige Geschenke bekommen?
Gebhardt: Sie sollten sich auf jeden Fall das Spielzeug vorher ganz genau anschauen und gucken, ob nicht Teile abgebrochen werden können und durch Kleinkinder verschluckt werden können. Sie können nach dem GS-Zeichen schauen. Sie können auch nach dem Spielgut-Zeichen schauen. Das sind Zeichen, die geprüft sind in Deutschland, in den anderen Mitgliedsstaaten leider nicht. Sie müssen eben die Augen offen halten und vielleicht auch mal 50 Cent mehr ausgeben, um sicherer zu sein.
Ostermann: 50 Cent mehr ausgeben. Danach wollte ich eigentlich fragen, denn rächt sich hier nicht manchmal jedenfalls auch eine gewisse Mentalität, von der man sich nur schwer freimachen kann: "Geiz ist geil"? Je teuerer, oder umgekehrt gefragt: Je billiger ein Spielzeug, desto größer das Risiko?
Gebhardt: Das kann man auch nicht allgemein sagen. Es gibt auch billiges Spielzeug, das durchaus sicher ist, und teures Spielzeug, das nicht so sicher ist. Aber man kann durchaus vom Grundsatz ausgehen, dass da, wo mehr Wert drin ist, eben auch das teurer sein muss, weil Sicherheit natürlich etwas kostet. Das ist ganz klar.
Ostermann: Frau Gebhardt, danke für das Gespräch heute früh.
Gebhardt: Bitte schön.
Ostermann: Evelyne Gebhardt, Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im Europaparlament