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09-11-2008

Das Europäische Parlament aus der Sicht der Medien

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Kennen die europäischen Bürgerinnen und Bürger die Arbeit des Europaparlaments? Was unternehmen die Medien, um Informationen darüber zu vermitteln und das Interesse zu wecken? Besteht die Gefahr, dass das Europäische Parlament mit den Journalisten gefährliche Bekanntschaften eingeht? Über all dies wollen wir in der heutigen Ausgabe unserer Sendereihe „Heute - Partnerschaft mit dem Europaparlament“ sprechen.

In den Balkanstaaten sind die Menschen mehr für die Europäische Union zu begeistern als in den übrigen EU-Ländern. So lautete der Tenor eines Runden Tisches anlässlich der zweitägigen Konferenz "50. Jubiläum des Europäischen Parlaments. Die Sichtweise der Medien" in Sofia. Demnach hält durchschnittlich nur jeder zweite EU-Bürger die EU-Mitgliedschaft für gut. Anders die drei EU-Mitglieder auf dem Balkan, Bulgarien, Rumänien und Griechenland, sowie die drei Kandidatenstaaten Mazedonien, Kroatien und die Türkei: Dort würden rund zehn Prozent mehr "Euro-Enthusiasmus" als in den übrigen EU-Staaten verzeichnet.

Die Problemlagen, die die EU in den jeweiligen Ländern in den Augen der Befragten lösen soll, reichen demnach von Bildung, Gesundheit und Infrastruktur im Fall der Türkei bis hin zum Wirtschaftswunder im Fall Bulgariens.

Quer über den Balkan würden Umweltschutz, Sicherheit und der Kampf gegen den Terrorismus als Anliegen genannt. Für die Erweiterung der EU seien heute vor allem Bulgarien, Rumänien und die zentraleuropäischen jüngeren EU-Mitglieder Ungarn, Tschechien und Polen.

Weniger als zehn Prozent der Bulgaren, Rumänen und Albaner sind jemals außerhalb ihres eigenen Landes gereist, zeigt eine Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Gallup in Bulgarien. Die Menschen lernten Europa eher über die Medien kennen - und über Gerüchte. So würde sich jeder dritte Bürger eines Balkanstaates in Gesprächen mit Freunden, Kollegen und Bekannten Wissen über europäische Themen aneignen, und nicht über Webseiten der EU-Institutionen oder die Medien. Wie kommt es dazu? Hören Sie Ewelina Andreewa von der Bulgarischen Nachrichtenagentur BTA.

„Die Sprache, die für die Berichterstattung aus und über das Europäische Parlament genutzt wird, ist für den Großteil der Menschen in Südosteuropa unverständlich“, behauptet Ewelina Andreewa. „Zwar belegen Meinungsumfragen, dass die Menschen in unserer Region zu den Europa-Optimisten zählen, dies wird aber nicht all zu lange so bleiben, wenn wir von der Presse weiterhin in dieser unverständlichen und fremden Sprache über Europa reden. Wie sollen denn die Leute Europa verstehen, wenn sich die Journalisten so einer Amts- oder Jargonsprache bedienen, wie Absorptionskapazität, Applikationsform, Randevouz-Klausel usw. Solche Ausdrücke verursachen jetzt Schmunzeln im Gesicht, sie sind aber in der Berichterstattung über die EU nachzulesen. Sie mögen für die EU-Bürokraten verständlich sein, nicht aber für die breite Öffentlichkeit. Deshalb sind wir uns auf der Konferenz in Sofia sofort einig geworden, dass die Medien dazu berufen sind, zu vermitteln, was unter anderem auch bedeutet, die EU verständlich und zugänglich zu machen“, sagt Ewelina Andreewa.

 

Die Medien sind aufgerufen, das Interesse der Öffentlichkeit für die Tätigkeit der EU-Institutionen zu wecken. Dazu gibt es vielerlei Möglichkeiten, wie die Medienkonferenz in Sofia zeigte. Die albanischen TV-Sender konzentrieren sich bei der Berichterstattung über die Europäische Union auf Nachrichtensendungen und aktuelle Magazine. Das rumänische Fernsehen präsentierte hingegen eine ganz neue Idee – monatelang strahlte es eine Soup mit den bekanntesten rumänischen Schauspielern aus, die die verschiedenen EU-Mitgliedsländer vorgestellt hat. Diese spitzfindige Idee fand einen ausgesprochen großen Zuspruch und feierte beachtliche Einschaltquoten, haben die rumänischen Kollegen in Sofia berichtet.

Die bulgarischen Medien bringen hingegen viele und vielseitige Informationen über die Europäische Union, die Art und Weise der Berichterstattung jedoch lässt noch viel zu wünschen übrig. Dabei hatte es ein bekannter bulgarischer Fernseh-Moderator sehr trefflich formuliert: „Es gilt, die EU sexy zu machen“.

„Die Europawahlen im kommenden Jahr sind von Schlüsselbedeutung“, hat der Präsident des Europäischen Parlaments Hans-Gert Pöttering in seiner Grußbotschaft an die Teilnehmer der Konferenz in Sofia erklärt. Die Informiertheit der Menschen über die EU solle nicht nur im Hinblick auf die Vorteile der Gemeinschaft erhöht werden, sondern die Bürgerinnen und Bürger überzeugen, dass ihre Stimme zählt. Glauben das auch die Bulgaren? Wir haben uns auf Sofias Straßen umgehört und gefragt, welche Erwartungen die Menschen von der Presse haben, um über das Europaparlament informiert zu werden.

„Ich werde sicherlich wählen gehen“, sagt Maria Stoimenowa. „Aber es ist durchaus wichtig, wie der Wahlkampf in den Medien dargestellt wird, wie wir als Wähler über die Bedeutung des Europaparlaments informiert werden. Mich persönlich interessiert es, welche Bedeutung die Entscheidungen des Parlaments für mich und meine Familie haben, wie sie sich auf unser Leben auswirken. Dann kann ich auch sagen, was ich von den Europaabgeordneten zu erwarten habe“, so Maria Stoimenowa.

„Um meine persönliche Wahl zu treffen, wünsche ich mir, dass alle Medien in Bulgarien, nicht nur die öffentlich-rechtlichen, sondern auch die privaten, die bulgarischen Politiker vorstellen, die in den Wahlkampf gehen“, sagt Kalina Sotirowa. „Mir ist es wichtig zu erfahren, wie diese Politiker gedenken, Bulgarien zu präsentieren. Ich würde daher eher für Persönlichkeiten stimmen und weniger für Parteien.“ Für Kalina Sotirowa scheint außerdem wichtig zu sein, wie die Entscheidungsfindung im Europaparlament vor sich geht.

„Wer berät die Europaabgeordneten bei ihrer Entscheidungsfindung“, fragt Kalina Sotirowa. „Bulgarien wurde bekanntlich wegen innenpolitischer Schwierigkeiten stark in die Kritik genommen. Ich frage mich, wer hat die Europaabgeordneten über die Zusammenhänge in Bulgarien informiert und beraten, um ihre Entscheidungen über unser Land zu treffen.“ Gar nicht so informiert ist die nächste Passantin, die wir auf der Straße angesprochen haben:

„Ich kenne mich da nicht sehr gut aus“, gibt Eli Georgiewa zu. „Die Medien würden aber schon dazu beitragen, dass auch Leute wie mich mehr über die EU erfahren, und insbesondere über die Europawahlen. Für die Wahlen im nächsten Jahr würde mir jegliche Information in der Presse weiter helfen.“

Das Europäische Parlament hat in diesem Jahr erstmals einen Journalistenpreis ausgeschrieben. Ausgezeichnet sollten herausragende journalistische Arbeiten, die zum besseren Verständnis aktueller europäischer Themen sowie der Funktionsweise und Politiken der Europäischen Union beitragen. Der Journalistenpreis wurde für Beiträge in den vier Kategorien Print, Radio, Fernsehen und Online vergeben. In einem ersten Schritt sind nationale Gewinner von nationalen Journalisten-Jurys ausgewählt und nach Brüssel gemeldet worden. Dort trat anschließend eine europäische Jury zusammen, die schließlich die Preisträger ermittelt hat. Die Preise sind mit 5.000 Euro je Kategorie dotiert und da liegt die Frage nahe, ob dieser Journalistenpreis nicht als Flirt des Europaparlaments mit den Medien missverstanden werden könnte.

Der Leiter des Referats Redaktion und Veröffentlichung, Ioannis Darmis, sieht es nicht so: "Nein, nein, das ist nicht der Fall. Erstens sind die Preise auf Grund eines Verfahrens verliehen worden, was das Parlament selbst ausschließt. Das heißt, die nationalen Gewinner sind von einer Jury geprüft worden, die nur aus Journalisten bestand. Die internationale Jury, die in Brüssel die Bewerbungen der nationalen Gewinner bewertet hat, besteht zum größten Teil aus Journalisten. Sechs Journalisten und drei MEP, die auch Journalisten gewesen sind. Wir wollen ein Journalismus, eine Berichterstattung, die den kritischen Blick von außen nicht ausschließt. Es ist unabdingbar, dass das Handeln der EU kritisch begleitet und kontrolliert wird. Das ist unser Hauptziel gewesen und durch die Zusammenstellung der Jurys haben wir vermieden, dass das EP mit den Journalisten flirtet."

Der Journalistenpreis des Europäischen Parlaments wurde am 17. Oktober im Rahmen einer Feierstunde durch den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, überreicht. Eingeladen zu der Zeremonie waren alle nationalen Gewinner aus den 27 Mitgliedsstaaten, insgesamt sind es 68 Journalistinnen und Journalisten.

Wie kam es zu dieser Idee, dass das EP einen Journalistenpreis ausschreibt?
"Eines der Ziele des Preises ist gewesen, zu einer Verbesserung der Kommunikation zwischen den EU-Organen und den Bürgerinnen und Bürgern beizutragen. Wir haben uns gedacht, dass es ein Defizit an Information gibt, was die Aktivitäten des Parlaments anbetrifft, und wir haben uns gedacht, dass wir mit diesem Preis beitragen würden, dass das Interesse an das EP größer wird.
Es ist im Rahmen unserer Bemühungen, besser mit den Medien zu kommunizieren und über die Medien - mit den europäischen Bürgern. Wie sie wissen, wird dieser Preis an Journalisten verliehen, die einen herausragenden Beitrag zum besseren Verständnis aktueller europäischer Themen sowie der Funktionsweise und Politiken der Europäischen Union geleistet haben. Wir würdigen damit Journalisten, die sich bemühen, die Bürger über die Aktivitäten des EP und der anderen Institutionen besser aufzuklären. Ich finde dass die Jurys eine sehr gute Wahl getroffen haben"

Werfen wir nun einen Blick zum benachbarten Rumänien, das wie Bulgarien am 1. Januar 2007 zur EU beigetreten ist. Welche Rolle spielt das Europaparlament in der Öffentlichkeit in Rumänien? Wie wichtig ist die EU für die Menschen dort? Darüber sprachen wir mit Magda Crisan vom rumänischen Fernseh-Sender TV Realitatea: „Alles, was mit der EU zusammenhängt, rückt angesichts der alltäglichen Probleme der Rumänen in den Hintergrund“, sagt Magda Crisan. „Wir haben andere Sorgen - Armut, Arbeitslosigkeit usw. So sieht die Tagesordnung der Menschen hier aus. Das ist der Alltag. Vermutlich hört sich das nicht sehr gut an, vermutlich sollten wir uns mehr für die EU und ihre Institutionen interessieren. Sie sind für uns aber noch zu abstrakt. Die Europäische Union ist für Rumänien wie ein wohlklingendes Versprechen für ein besseres Leben. Uns fehlt aber die weitere Information“, sagt die rumänische Journalistin.

Einer Studie von European Values Study zufolge ist das Vertrauen der Bulgaren in die Politiker ausgesprochen niedrig. Dafür aber schneidet die Europäische Kommission sehr gut ab. Magda Crisan kommentierte, dass diese Behauptung für Rumänien ebenfalls zutrifft. „Das größte Vertrauen haben die Rumänen in der orthodoxen Kirche, dann in der Armee und das Schlusslicht bilden die Politiker“, sagt unsere rumänische Kollegin. Wir fragen sie, wie hoch die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen im nächsten Jahr ausfallen mag?

„Bei den ersten Europawahlen in Rumänien im Beitrittsjahr lag sie bei etwa 30 Prozent. Das ist viel zu niedrig“, meint Magda Crisan. „Die Rumänen interessieren sich für die Probleme des Kontinents nicht. Die einzige Ausnahme bilden einige praktische Veränderungen, die mit der rumänischen Mitgliedschaft in der EU zu tun haben, wie es beispielsweise die EU-Subventionen sind. Die europäische Politik, wie etwa die Klimaschutzpolitik, ist aber sonst für die Menschen kein Thema. Hinzu kommt aber auch, dass es in Rumänien an Informationen über die Politik des Europaparlaments, über seine Tätigkeit und über die bevorstehenden Europawahlen mangelt. Ich frage mich, wie viele Rumänen überhaupt wissen, dass wir im nächsten Jahr das Europaparlament wählen“, so Magda Crisan.

Vom EU-Neuling Rumänien machen wir einen Schwenk ins Kandidatenland Kroatien. „Die Beitrittsverhandlungen Kroatiens mit der EU laufen nicht im gewünschten Tempo“, behauptet die Radioredakteurin Morana Petricic, und weiter: „Eine Untersuchung von Eurobarometer aus diesem Jahr hat ergeben, dass 32 Prozent der Kroaten die EU gut heißen“, sagt Morana Petricic. „26 Prozent der Befragten haben eine ablehnende Haltung. Die Zahl der Zweifler ist am höchsten - sie machen 40 Prozent aus. Der Grund für diese widersprüchlichen Äußerungen ist ein einziger. Ein Großteil der Bevölkerung meint, dass es Kroatien gar nicht so gut geht. In den neuen Mitgliedsländern Bulgarien und Rumänien sieht es aber auch nicht viel besser aus, obwohl sie zur EU beigetreten sind. Die Menschen ziehen dann einfach den Vergleich. Hinzu kommt“, erläutert die Radiojournalistin, „dass viele Kroaten Angst haben, durch die EU-Mitgliedschaft ihre nationale Identität zu verlieren.“

Zu Beginn unserer Sendung sprachen wir über die Medienkonferenz in Sofia, die anläßlich des 50. Jubiläums des Europaparlaments organisiert wurde. Ein Mitschnitt der Diskussionen wird demnächst auf http://parliament.europe.bg zu hören sein.

Thema unserer nächsten Sendung aus der Reihe „Heute – Partnerschaft mit dem Europaparlament“ wird die Weltfinanzkrise sein.

Die Sendereihe "Heute - Partnerschaft mit dem Europaparlament" des Europäischen Instituts ist eine Gemeinschaftsproduktion von Radio Bulgarien, RFI Rumänien und Yvelines Radio Frankreich. Finanziell getragen wird das Projekt von der Generaldirektion "Kommunikation" des Europäischen Parlaments.

Ihre Fragen und Meinungen können Sie uns mailen – unsere Adresse lautet: info@europe.bg Nähere Informationen erhalten sie auch auf folgender Seite: http://parliament.europe.bg.

Autorinnen: Maja Pelowska, Rumjana Zwetkowa, Vessela Vladkova, Weneta Nikolowa
Übersetzung und Redaktion: Vessela Vladkova


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